3. Offenlegung der Pläne / Kreis und Gernsheimer Bürger einig in Ablehnung
„Es wird jetzt ernst“, sagt Gerald Kummer, Landtagsabgeordneter und Kreistagsmitglied, angesichts des nächsten Schritts zur Erweiterung der gefährlichen Chemieanlage am Gernsheimer Hafen. Die Pläne, dort fünf neue Großtanks nahe der Wohnbebauung zu errichten, sind seit dieser Woche in der 3. Offenlegung. „Während die Bürger wie auch die Bauaufsicht des Kreises das Vorhaben wegen seiner Gefahren ablehnen, zeigt sich das Regierungspräsidium in Darmstadt als Genehmigungsbehörde weiter unbekümmert“, kritisiert Kummer. Durch mehrere Anfragen an das Umweltministerium hat er weitere Details zu den Vorgängen ans Licht befördert.
Das Verfahren zur Erweiterung um fünf Tanks à 2500 m³ sowie zusätzliche Nebengebäude läuft schon seit einigen Jahren. Die Untere Bauaufsichtsbehörde des Kreises hat festgestellt, dass das Vorhaben eindeutig unzulässig ist: Es liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Hafengebiet“ der Stadt Gernsheim, wo „erheblich belästigende Gewerbe- und Industriebetriebe“ nicht erlaubt sind. Durch Bauvorhaben dürfen „keine erheblichen Nachteile oder Belästigungen entstehen“, doch das wäre durch die neuen Tanks der Fall.
Brennbare Flüssigkeiten neben dem Wohngebiet
Warum überhaupt diese Nähe zwischen einer gefährlichen Anlage und der Wohnbebauung? Das Regierungspräsidium Darmstadt, so erklärt das Ministerium auf Kummers Anfrage, habe der Firma Solvadis in mehreren Schritten seit 1999 die Erlaubnis gegeben, auf dem Betriebsgelände unter anderem gefährliche Abfälle zu lagern und umzuschlagen. Konkret genannt werden „brennbare Flüssigkeiten, die nicht brandfördernd oder explosionsfähig sind“. Bei regelmäßigen Kontrollen werde geprüft, ob alle Anforderungen aus dem Immissionsschutzrecht und der Störfallverordnung erfüllt werden. Bei einem Verstoß gegen die Vorschriften muss der Betreiber die Missstände beseitigen, sonst kann ihm der Betrieb untersagt werden.
Die bisher aufgetretenen Störfälle sieht das RP offenbar nicht als problematisch. Dabei gab es einmal schon eine Explosion, in einem anderen Fall wurden giftige Stoffe freigesetzt. Zuletzt kam es am 29. Juli des vergangenen Jahres zu einem Gefahrstoffaustritt – was durch aufmerksame Anwohner bemerkt wurde, nicht durch den Betreiber selbst. „Weitere Störfälle sind da fast schon absehbar“, sagt Kummer, „und die Auswirkungen, wenn der Komplex durch die Erweiterung größer und näher an der Wohnbebauung ist, könnten noch gefährlicher sein als bisher. Die Befürchtungen der Menschen vor Ort sind daher berechtigt.“
Auffangwannen als Lösung?
Das Ministerium macht sich da keine Sorgen und verweist auf Maßnahmen wie Auffangwannen, die „gutachterlich als angemessen eingestuft wurden“. Nach dem Ereignis vom 29. Juli habe Solvadis „weitergehende Lösungen umgesetzt“, um auslaufende Flüssigkeiten künftig schneller zu bemerken. Dass die Erweiterung in einem Überschwemmungsgebiet stattfinden soll, sei auch kein Problem: Für den Umgang mit wassergefährdenden Stoffen sei dort keine Mengenbeschränkung vorgesehen. Es müsse nur sichergestellt sein, dass die Stoffe „durch Hochwasser nicht abgeschwemmt oder freigesetzt werden und auch nicht auf andere Weise in ein Gewässer oder eine Abwasserbehandlungsanlage gelangen können“. Die Prüfung obliegt wieder dem Regierungspräsidium als der oberen Wasserbehörde. „Die ausnahmsweise Genehmigung“, schreibt das Ministerium lapidar, „darf im Rahmen der immissionsschutzfachlichen Genehmigung erteilt werden.“
An der Eignung der Firma, eine so gefährliche Anlage zu betreiben, habe das Ministerium weiterhin keine Zweifel, teilt es mit. Das sehen die Anwohner ganz anders, zumal die bisherige Informationspolitik des Betreibers eher der Desinformation diente: Über Jahre hielt Solvadis die Liste der zu lagernden Stoffe zurück, dann klagte er gegen eine von der Stadt Gernsheim zugestandene Akteneinsicht. „Natürlich ist das Vertrauen der Anwohner in die Firma zerstört“, sagt Kummer, „da der Eindruck entstehen musste, dass man etwas zu verbergen hat.“ Bis zum 9. Februar können nun Bürgerinnen und Bürger die Unterlagen einsehen. Einwände gegen die Erweiterung können bis zum 9. März eingereicht werden. Kummer hofft, dass das RP dann die Interessen der Bürger und der Öffentlichkeit vertritt: „Auf Basis der geltenden Gesetze gibt es keine Möglichkeit, dieses Bauvorhaben zu genehmigen.“